Sprache und Identität der deutschen Minderheit in Dänemark
Der Fortbestand einer Minderheit hängt davon ab, ob die kulturellen und sprachlichen Eigenheiten an die nächsten Generationen übertragen und weiter entwickelt werden. Kindergärten und Schulen sind dabei die wichtigsten Institutionen um das Bewahren und Weiterentwickeln zu gewährleisten. Viele der europäischen Minderheiten, die in ihrer Existenz bedroht sind, verfügen nicht über dergleichen Einrichtungen oder sie funktionieren nicht im gewünschten Umfang.
Diese Erkenntnis, und der Unterricht in der eigenen Sprache, sind noch kein Garant dafür, dass die eigene Sprache und deren Eigenheiten bewahrt werden können. Dies hat viele Minderheiten dazu angeregt gezielte Konzepte zur Sprachentwicklung und zum Sprachunterricht für Kindergärten und Schulen zu entwickelt. Über die Jahre wurden unterschiedliche Erfahrungen mit den jeweiligen Konzepten und deren Umsetzung im Alltag gemacht.
Um gegenseitig von diesen Erfahrungen zu lernen sollte gezielt auch ein Austausch zwischen den Minderheiten in diesem Bereich gefördert werden.
Die deutsche Sprache ist Grundlage unserer Identität
Wir sprechen zwei Sprachen – manche mit Sønderjysk auch drei. Die deutsche Sprache ist Grundlage der Identität der deutschen Nordschleswiger. Sprache ist gleichzeitig Kommunikationswerkzeug und Schlüssel zum kulturellen Verständnis. Der Gebrauch der deutschen Sprache ist in Bezug auf die deutsche Minderheit und ihre Angehörigen, als einzige Minderheit in Dänemark, in einer Reihe von Vereinbarungen geregelt.
Ein Klima der Toleranz und der Akzeptanz
Bedeutsamer als der rechtliche Schutz sind ein Klima der Toleranz und der Akzeptanz auf allen Ebenen des politischen und gesellschaftlichen Lebens sowie ein gutnachbarschaftliches Miteinander von Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung.
Dies findet seinen Ausdruck in der selbstverständlichen aktiven und mitgestaltenden Teilnahme der deutschen Nordschleswiger am politischen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben Dänemarks unter Wahrung der eigenen deutsch-nordschleswigschen Identität.
Jeder siebte Mensch in Europa gehört einer nationalen Minderheit an
Dass die nationale Identität und Zugehörigkeit bei Menschen einer Minderheit häufig hin und her wechselt und ist vielen Menschen einer in einer homogenen Mehrheitsbevölkerung oft gar nicht klar. Aber tatsächlich gehört jeder siebte Mensch in Europa einer nationalen Minderheit an und spricht eine Regional- oder Minderheitensprache. Das sind in einer normalen Schulklasse ca. 4 Schülerinnen und Schüler.
Die deutsche Minderheit ist ein natürlicher Bestandteil des Grenzlandes und sie ist sehr gut in die dänische Gesellschaft integriert.
Die Mitglieder der deutschen Minderheit nutzen sowohl die Angebote der Minderheit und auch die Angebote der dänischen Mehrheitsbevölkerung. Z.B. kann man wunderbar Fußball im dänischen Verein spielen und im deutschen Chor singen. Viele lesen morgens zum 1. Kaffee die deutschen Nachrichten und zum 2. Kaffee die dänischen. Zu Weihnachten isst man traditionelles dänisches Weihnachtsessen, besucht aber nachmittags den deutschen Gottesdienst. Und man hat sowohl dänische Freunde als auch deutsche.
Unser Spruch „Regional und weltoffen“
In unserer Minderheit arbeiten wir kultur- und sprachübergreifend. Aus gesellschaftlicher Perspektive ist unsere Grenzregion etwas ganz Besonderes. Wir sind ein positives Beispiel dafür, wie Minderheit und Mehrheit gemeinsam miteinander leben können.
In einer globalisierten Welt sind wir uns unserer Identität als deutsche Minderheit in Dänemark bewusst. Wir sind mit kulturellen Unterschieden aufgewachsen, wobei Toleranz sowie Platz zum Anderssein Teil unserer Identität und unseres Selbstverständnisses sind.
Im Sommer 2022 bekam die Minderheit ein neues, gemeinsames Logo und einen neuen Spruch. Nach der Aufforderung, einen Vorschlag für einen neuen Slogan einzureichen, kamen über 20 Ideen zusammen. Die Geschäftsführenden der Verbände haben dann in mehreren Runden zunächst schriftlich und dann im Gespräch die Auswahl auf zwei Vorschläge eingeschränkt, die dann dem Hauptvorstand des BDN zur Abstimmung vorgelegt wurden. Von den 21 stimmberechtigten Hauptvorstandsmitgliedern haben dann 7 für den Slogan „Grenzland – unser Zuhause“ gestimmt, 12 Stimmen entfielen auf „Deutsche Minderheit – regional und weltoffen“.
Die Grunde für die Wahl diesen Spruches, sowie die Bedeutung des Spruches „Regional und weltoffen“ werden in diesem Artikel von „Der Nordschleswiger“ erläutert.
Die deutsche Sprache in Dänemark
Die deutsche Sprache ist das wichtigste Erkennungsmerkmal der deutschen Nordschleswiger. Sie ist nicht nur das wichtigste Werkzeug der Kommunikation, sondern verbindet und zeigt Zugehörigkeit. Die deutsche Sprache genießt in Nordschleswig einen besonderen Status und wird durch europäische Konventionen geschützt.
In den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 heißt es grundlegend: „Angehörige der deutschen Minderheit und ihre Organisationen dürfen am Gebrauch der gewünschten Sprache in Wort und Schrift nicht behindert werden.“
Weitere Regeln beinhalten das Europäische Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Sprachencharta.
Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten legt Grundsätze im Bereich des öffentlichen Lebens für Angehörige nationaler Minderheiten und deren individuelle sowie kollektive Rechte fest. Es ist das erste rechtsverbindliche multilaterale Instrument Europas, das dem Schutz nationaler Minderheiten gewidmet ist. Es hat zum Ziel, den Bestand nationaler Minderheiten zu schützen.
Das Rahmenübereinkommen wurde im Rahmen des Europarats ausgearbeitet und trat am 1. Februar 1998 in Kraft.
Die Förderung und Pflege der deutschen Sprache gehört zu den wichtigsten Aufgaben der deutschen Minderheit. Dies gilt in den eigenen Einrichtungen und Vereinen aber auch im öffentlichen Raum. Sichtbarkeit stärkt die Identität.
Der Hauptvorstand des BDN hat für die Jahre 2023 bis 2025 sieben sprachpolitische Forderungen aufgestellt.
Hinzu kommt der Wunsch, dass Deutsch weiterhin einen hohen Stellenwert in Dänemark hat. Dies ist wichtig für kulturellen Austausch, grenzüberschreitende Zusammenarbeit und nicht zuletzt die wirtschaftlichen Beziehungen.
Hierzu hat der BDN 2019 eine Analyse veröffentlicht, die feststellt, dass der niedrige Status der deutschen Sprache in Dänemark das Resultat einer jahrzehntelangen negativen Entwicklung ist. Die Analyse enthält eine Reihe von Vorschlägen, wie Deutsch gestärkt werden kann.
Deutsch und Dänisch auf muttersprachlichem Niveau
Die Sprache und Identität der deutschen Minderheit in Nordschleswig wird besonders in den Kindergärten und Schulen gepflegt und gefördert.
In den deutschen Kindergärten des Deutschen Schul- und Sprachvereins werden ca. 600 Kinder betreut.
In den 13 allgemein-bildenden Schulen sowie dem Deutschen Gymnasium und der Nachschule in Tingleff werden ca. 1.800 Schüler und Schülerinnen unterrichtet.
Die Kinder und Jugendlichen sollen auf ein Leben im dänischen Umfeld vorbereitet werden. Deshalb wird Dänisch auch auf Muttersprachenniveau unterrichtet. Dänische Geschichte und Kultur wird dabei ein natürlicher Bestandteil des Unterrichtsangebotes sein. Die Schulabschlüsse sind sowohl in Dänemark als auch in Deutschland anerkannt.
Zentrale traditionelle Veranstaltungen der deutschen Minderheit
Mehrere traditionelle und Veranstaltungen von unterschiedlichem Charakter sind für die deutsche Minderheit in Nordschleswig von besonderer Bedeutung für den Zusammenhalt nach innen und die Darstellung nach außen.
Zu den jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen zählen unter Anderem Das Knivsbergfest, Deutscher Tag oder die Neujahrstagung.
Knivsbergfest
Das Knivsbergfest ist seit 1894 das Jahresfest der deutschen Volksgruppe. Heute ist es ein mehrtägiges Familienfest mit Feldhandball- und Fußballturnieren mit Mannschaften aus Nordschleswig und Schleswig-Holstein, einem Rockfestival sowie einer Festveranstaltung mit Gesangs-, Turn- und Tanzdarbietungen, Grußworten, einer Festrede und einer Gedenkfeier.
Deutscher Tag & Neujahrstagung
Beim „Deutschen Tag“ und bei der „Neujahrstagung“ handelt es sich um von BDN (Bund deutscher Nordschleswiger) organisierte Veranstaltungen der Minderheit.
Die Tradition des Deutschen Tages entstand nach 1945. Der Deutsche Tag findet immer am ersten Sonnabend im November in der Halle des deutschen Sport- und Freizeitzentrums in Tingleff/Tinglev statt. Die Festveranstaltung wird umrahmt vom „Festival deutscher Kultur“ mit vielen lokalen und regionalen Aktivitäten. Zur Festveranstaltung mit musikalisch-kulturellen Beiträgen, Grußworten deutscher und dänischer Politiker und einem Festvortrag reisen etwa 600 Gäste an.
Bei der Anfang Januar stattfindende Neujahrstagung in der Akademie Sankelmark kommen Politiker aus Berlin und Kopenhagen zu Wort, werden aktuelle minderheitenpolitische Fragen diskutiert und historische Themen vorgestellt. Hinzu kommt ein kulturelles Rahmenprogramm mit Kabarett und Ausstellungseröffnung.
Inspiration zum Deutsch lernen!
Materialien und Inspiration für Deutschlehrkräfte, die in der dänischen Folkeskole oder im Gymnasium Deutsch unterrichten.