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Gerhard Jacobsen

Im Ehrenamt für grenz­überschreiten­den Fährbetrieb 

Der Mann hinter dem Fährbetrieb auf der Flensburger Förde ist Gerhard Jacobsen. Der Minderheitendeutsche lenkt seit etwa zehn Jahren die Arbeit für das grenzüberschreitende Tourismusangebot. Mit langjähriger Erfahrung in führenden Positionen in der Speditionsbranche hat Jacobsen inzwischen in seiner Arbeit als Erzieherhelfer eine sinnvolle Tätigkeit gefunden. Ehrenamtlich ist er Vorsitzender des Fördervereins „Cykelfærgens Venner“.

Ekensund/Egersund Das Nübeler Noor (Nybel Nor) ist eine Naturschönheit. Die Ekensundbrücke (Egernsundbro) führt über den schmalen Ekensund, der das Nübeler Noor mit der Flensburger Förde verbindet. Gerhard Jacobsen hat von seinem Eigenheim Blick auf den Hafen und das Wasser. Auf der Klappbrücke rollt der Verkehr und das Noor schlängelt sich vor seiner Haustür. Im Sommerhalbjahr hat die Fahrradfähre „MS Rødsand“ von dort ihren Ausgangspunkt der Schiffstouren, die seit 2019 Nordschleswig und Norddeutschland auf dem Wasserweg verbinden. Mit Beginn der Sommersaison 2023 ist der Fährbetrieb mit der Inbetriebnahme der Ausflugsfähre „MS Thjalfe“ gestärkt worden.

Gerhard Jacobsen: der Mann hinter dem Fährbetrieb „Fahrradfähre“ auf der Flensburger Förde.

Foto: Karin Riggelsen

Jacobsens Initiative und Engagement

Jacobsens Initiative und Engagement ist es zu verdanken, dass das grenzüberschreitende Tourismusvorhaben verwirklicht werden konnte. Wir besuchen den 58-Jährigen im Frühjahr 2023 in Ekensund, um mit ihm über die Ausflugsfähren zu sprechen. Der deutsche Nordschleswiger ist tief verwurzelt in der Minderheit. Nachdem er vor etwa zehn Jahren eine bemerkenswerte berufliche Neuorientierung vorgenommen hatte, arbeitet der ausgebildete Speditionskaufmann und erfolgreiche Key Account Manager als Erzieherhelfer im Familienzentrum „Center for familier“. Betreiber des Zentrums ist die Kommune Apenrade (Aabenraa).

Die Fahrradfähre ist eine lokale Initiative, die auf Ehrenamt und viel Herzblut basiert.

Foto: Felix A. Schultz

Die Wiederbelebung der Fährverbindung diskutiert

Der Urheber der Tourismusinitiative lächelt, wenn er an den Anfang des Projekts zurückdenkt.

Der Fährbetrieb sei zwar kein Minderheitenprojekt, aber Gerhard Jacobsen habe unter anderem aus der Minderheit gute Unterstützung erfahren. 2014 oder 2015, als Jacobsen noch am Iller Strand bei Broacker (Broager) wohnte, hatte er an einem von der Kommune Sonderburg (Sønderborg) veranstalteten Workshop auf Broackerland (Broagerland) teilgenommen. Er war damals Vorstandsmitglied der Dorfgilde „Brunsnæs/Iller/Busholm“ (BIB).

Auf der Arbeitstagung stand die Förderung des ländlichen Raums im Mittelpunkt. Die Teilnehmenden diskutierten, so Gerhard Jacobsen, verschiedene Möglichkeiten, die zur Stärkung ihres Wohnortes beitragen könnten. Neben der Wiedereröffnung des alten Gasthofes in Brunsnis (Brunsnæs) stand auch die Wiederbelebung der Fährverbindung zwischen Brunsnis und der deutschen Halbinsel Holnis (Holnæs) zur Debatte. Einen Fährverkehr hatte es auf dieser Strecke bereits im Mittelalter gegeben. Nach dem Ende der Ära der sogenannten Butterfahrten (Dänisch: Æ Spritte), die bis vor etwa 25 Jahren auf der Flensburger Förde schipperten, ist die Wiederaufnahme einer Fährverbindung in der Diskussion, weiß Gerhard Jacobsen.

Gerhard Jacobsen betreibt seit dem Umzug von Iller nach Ekensund ein Bed & Breakfast im ersten Stock seines Hauses. Hier kehren unter anderem Wanderer, die auf dem Gendarmenpfad unterwegs sind, ein.

Foto: Karin Riggelsen

Ein besseres Projekt hätte er nicht finden können

Das Ausflugsschiff konnte bei dem Workshop die meisten Stimmen auf sich vereinen. Man habe Gerhard Jacobsen gefragt, ob er der Projektgruppe angehören wollte. „Die Fähre war nicht meine Idee. Ein besseres Projekt hätte ich aber nicht finden können. Da passte einfach alles“, sagt Gerhard Jacobsen und lacht. Seine Erfahrungen aus Vertrieb und Logistik in der Speditionsbranche und sein deutschsprachiger Hintergrund seien wohl Gründe dafür gewesen, dass ihm anschließend der Projektvorsitz anvertraut wurde.

Grenzüberschreitendes Miteinander stärken

Als Kind der deutschen Minderheit sah Jacobsen darin eine willkommene Möglichkeit, die Dorfgemeinschaft auf Broackerland weiterzuentwickeln und die grenzüberschreitende Kooperation zu stärken. „Ich hatte den Ehrgeiz zur Durchführung des Projekts. Mir wurde schnell klar, die anderen taten es nur, weil sie mussten. Dann habe ich eine neue Mannschaft aufgestellt mit Leuten, die ich brauchte“, so der tatkräftige Jacobsen. Im Laufe der Jahre seien viele Sachen zusammengekommen, mit denen er sich auseinandersetzen musste.

Rückblickend stellt Jacobsen fest, dass die Verwirklichung eines Fährbetriebs für ihn und seine Mitstreiter mit sehr viel Arbeit verbunden gewesen ist. Seit es im Juni 2019 erstmals hieß leinenlos für die „Rødsand“, können Tagesausflügler mit dänischen und deutschen Häfen als Ausgangspunkt eine Seefahrt im Fahrwasser des Grenzlandes machen und die Region mit dem Rad oder zu Fuß erkunden.

Die Passagiere haben die Möglichkeit, am Ende des Ziels mit dem Fahrrad entlang der Flensburger Förde zurückzuradeln, das Schloss in Gravenstein (Gråsten) zu besuchen oder einen Spaziergang auf dem Gendarmenpfad (Gendarmstien) zu unternehmen, der Wanderer auch zu Mehrtagestouren mit Zeltübernachtungen einlädt. Auf deutscher Seite wartet der Landesteil im Norden Schleswig-Holsteins mit vielfältigen Naturerlebnissen. Wer nur eine Seefahrt möchte, kann auch direkt mit der Fähre, die jeweils zwölf Passagiere und zwölf Fahrräder befördern kann, fahren.

Gerhard Jacobsen. Foto: Karin Riggelsen

In dem Projekt Fahrradfähre kann Gerhard seine Erfahrungen aus einer langen Karriere in der Speditionsbranche einsetzen.

Foto: Karin Riggelsen

Betriebsaufnahme 2019

Die dänische Seefahrtsbehörde stellte hohe Ansprüche an die Fährverbindung. Auch auf deutscher Seite gab es zunächst keinen Hafen, der die Fahrradfähre annehmen wollte. „Das ist eine lange Geschichte. Aber da gab es gleichermaßen Missverständnisse“, verrät Jacobsen, ohne ins Detail gehen zu wollen. Sein gutes Netzwerk, das ihm schon zu seiner Zeit in der Speditionsbranche viele Türen geöffnet hatte, half dem 58-Jährigen in Sachen Fahrradfähre weiter.

Etwa drei Jahre arbeitete Jacobsen intensiv daran, Geschäftspläne zu erstellen, Werbematerial zu entwerfen und Sponsoren und potenzielle Geschäftspartner zu gewinnen.

Sehr erfolgreich war Jacobsen bei der Durchführung eines Triathlons, das 2017 und 2018 in Regie der Dorfgilde „BIB“ auf Broackerland vom Stapel lief. Bei den Sportveranstaltungen erwirtschaftete er einen Gesamterlös von 150.000 Kronen. Mit dem Eigenkapital auf der Bank konnte er an Schiffseigentümer Palle Heinrich herantreten, um die „MS Rødsand“ zu chartern. Nach so langem Warten auf die erforderlichen Genehmigungen für eine Betriebsaufnahme in internationalen Gewässern und dem Kampf um die Finanzierung legte die Fahrradfähre „MS Rødsand“ dann erstmals im Juni 2019 los mit Fahrten zwischen Ekensund, Brunsnis und Langballigau (Langballeå).

Der Endfünfziger hat den Bootsführerschein für Segelboote und Motorboote. Der Schein reicht aber nicht dafür aus, als Fährmann auf den Ausflugsbooten einspringen zu können.

Foto: Karin Riggelsen

Schiffseigner Palle Heinrich: Ein Glücksfall

„Palle Heinrich ist ein Glücksfall für uns. Es wäre nicht gut gegangen, wenn wir selbst eine Fähre hätten finanzieren müssen“, lobt Jacobsen den Schiffseigner mit Firmensitz in Mummark (Mommark). Die erste Saison lief zufriedenstellend, dann folgten zwei Jahre, in denen coronabedingt große Probleme auf Jacobsen und seine Mitstreiter zukamen. Die Fahrradfähre stand teilweise vor dem Aus, weil die Passagiere ausblieben. Aber Gerhard Jacobsen setzte, als die Coronakrise ausklang, alle Möglichkeiten in Bewegung, um dem Fährbetrieb 2022 neues Leben einzuflößen. Die Arbeit trägt Früchte, denn zum Abschluss der Saison 2022 konnten Jacobsen und seine Freunde feststellen, dass die Passagierresonanz boomte.

„Thjalfe“ knüpft an Traditionsfahrten an

Im Herbst 2021 wurde der Freundeskreis „Cykelfærgens Venner“ ins Leben gerufen, nachdem die Brunsnæs-Iller-Busholm-Dorfgilde sich von dem Projekt verabschiedet hatte. Mit der Gründung des neuen Vereins wurde die Verantwortung für das Projekt dem neugegründeten Verein übertragen. Gerhard Jacobsen ist Vorsitzender des Vereins, dem 2023 30 Mitglieder angehörten. Der Betrieb der Fähre läuft in Regie von Reeder Palle Heinrich. Jacobsen bezeichnet die Inbetriebnahme der Fähre „Thjalfe“ als ambitionierte Erweiterung des Angebots. Die Fahrradfähren-Freunde erhoffen sich dadurch, noch mehr Touristen und Einheimische auf dem Wasserweg zwischen Dänemark und Deutschland befördern zu können. Mit „Thjalfe“ wird versucht, an die traditionsreichen „Butterfahrten“ anzuknüpfen.

Die Fähre „Thjalfe“ fährt auf der Route von Ekensund nach Langballigau (Deutschland) und zurück. Die  Fähre „Rødsand“ wird auf der Strecke entlang der früheren „Butterfahrten“ von Ekensund nach Flensburg und zurück eingesetzt. Beide Fähren sind für 12 Passagiere und 12 Fahrräder zugelassen.

www.fahrradfaehre.info

Zu dem Menschen gemacht, der er heute ist

Seine Kindheit in der Minderheit auf einem Bauernhof in Baistrup (Bajstrup) bei Tingleff, seine berufliche Laufbahn und seine sportlichen Aktivitäten haben ihn geformt und zu dem gemacht, was er heute ist, sagt Gerhard Jacobsen. Zusammen mit seinen drei älteren Geschwistern ist Jacobsen in Baistrup aufgewachsen. Dort bewirtschafteten seine Eltern Peter und Petra Jacobsen einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er lernte schnell den Umgang mit den Haustieren und fing auch bereits im Alter von 12 Jahren an, neben der Schule auf dem Hof der Minderheitenfamilie Rohwedder in Stoltelund zu arbeiten.

Deutsche Einrichtungen in Tingleff und Handelsexamen in Tondern

Sein sportliches Talent und gesundheitliche Probleme mit einer Stauballergie führten letztendlich dazu, dass er keine berufliche Zukunft in der Landwirtschaft suchte. Nach dem Besuch des deutschen Kindergartens in Tingleff (Tinglev) und der Abschlussprüfung der 10. Klasse an der deutschen Schule in Tingleff (DST) wechselte Jacobsen 1981 an das Handelsgymnasium in Tondern (Tønder). Dort legte er sein einjähriges Handelsexamen ab.

Gerhard Jacobsen beim Handballspiel 1988.

Foto: Claus Fisker

„Das Leben mit den Tieren war fantastisch“

„Ich habe das Landleben genossen. Das Leben mit den Tieren war fantastisch. Ich denke mit Freude daran zurück“, so Jacobsen, der seit Kindheit an aktives Mitglied der Sportvereine der Minderheit gewesen ist. Er spielte Handball und Fußball, wobei sich insbesondere beim Handballsport ein gutes Talent verdeutlichte. Nachdem er eine Zeit lang in der ersten Mannschaft beim „SV Tingleff“ gespielt hatte, wechselte er im Alter von 22 Jahren zu der Divisionsmannschaft beim dänischen „HK Egene Gråsten“ in Gravenstein (Gråsten). Nach einer schweren Knieverletzung 2009 hängte er das aktive Handballspiel an den Nagel. „Jetzt pfeife ich nur noch“, lacht Gerhard Jacobsen, der 2008 seine Schiedsrichterausbildung begonnen hatte.

In die Minderheit hineingeboren

Als Kind und Jugendlicher sei es für ihn ganz normal gewesen, ein Teil der Minderheit zu sein. Seine Großeltern und Eltern hätten ihm vorgelebt, dass man in seiner Familie der Volksgruppe angehörte. „Ich bin da hineingeboren, ich kannte nichts anderes und das war für mich ganz normal. Ich habe es nie hinterfragt“, stellt Gerhard Jacobsen fest. Es sei nicht problemlos gewesen, Minderheitendeutscher zu sein. Er habe sich zwar damals nie ausgegrenzt gefühlt, aber „man könnte ein Buch darüber schreiben, was wir als Kinder alles erlebt haben“, erzählt er.

Für ihn sind die damaligen Spannungen zwischen Mehrheitsbevölkerung und Mitgliedern der Minderheit ein abgeschlossenes Kapitel. „Man hat uns gemobbt. Wir haben auch Prügel eingesteckt, aber das hat uns nur stärker gemacht“, findet Jacobsen. Er habe vor allen Dingen Spannungen bemerkt, bei sportlichen Veranstaltungen mit Sportausübenden „beider Lager“. „Jetzt erst recht, habe ich gedacht, wenn mein Verein Handball oder Fußball gegen eine dänische Mannschaft spielte“, lacht Gerhard Jacobsen.

Für Jacobsen sind die damaligen Spannungen zwischen Mehrheitsbevölkerung und Mitgliedern der Minderheit ein abgeschlossenes Kapitel.

Foto: Karin Riggelsen

Man könnte ein Buch darüber schreiben, was wir als Kinder alles erlebt haben. Man hat uns gemobbt. Wir haben auch Prügel eingesteckt, aber das hat uns nur stärker gemacht. Für mich sind die damaligen Spannungen zwischen Mehrheitsbevölkerung und Mitgliedern der Minderheit ein abgeschlossenes Kapitel.

Gerhard Jacobsen über seine Kindheit und Jugend.

Proppenvolle Hallen, wenn die Handballer an den Start gingen

Der Handballsport habe ihm immer besonders am Herzen gelegen. Als er beim „SV Tingleff“ spielte, war das zu einer Zeit gewesen, wo das Handballspiel einen ganz anderen Stellenwert hatte in den kleinen Ortschaften: „Wenn wir gegen eine lokale Mannschaft spielten, dann war die Halle proppenvoll.“ Montags, wenn er nach einem Spiel am Wochenende zur Arbeit kam, hätten sich die sportinteressierten Kollegen an ihn gewandt, um zu hören, wie das Spiel ausgegangen war. „Das war die Zeit vor dem Internet“, schmunzelt Jacobsen. Er fügt hinzu, dass der Sport sein Selbstvertrauen gestärkt habe.

Gerhard Jacobsen beim Handballspiel 1988. Sport habe sein Selbstvertrauen als Jugendlicher gestärkt.

Foto: Claus Fisker

Ausbildung in der Speditionsbranche und Wohnsitzwechsel nach Gravenstein

Dem Handelsexamen in Tondern schloss sich eine Ausbildung in der Speditionsbranche an. Gerhard Jacobsen machte von 1982 bis 1984 eine Lehre zum Speditionskaufmann bei der Firma „Leman“ in Pattburg (Padborg). Fast zeitgleich dazu verlegte er auch seinen Wohnsitz von der Hauptstraße in Tingleff nach Gravenstein. Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz hatte er erfahren, dass die Mehrsprachigkeit ein Mehrwert war.

„Eine ganz tolle Firma. Wir waren 110 Mitarbeiter“, erinnert sich der 58-Jährige.  Das Unternehmen sei das perfekte Sprungbrett für ihn gewesen. Ihm wurde Vertrauen entgegengebracht und im Alter von 23 Jahren übernahm er eine Stelle als Abteilungsleiter. Als ihm ein Posten in den Vereinigten Staaten angeboten wurde, habe er doch „Bammel“ gehabt und entschieden, dass er den Sprung nicht machen wollte.

Auszug aus einem Zeitungsartikel in „Der Nordschleswiger“, 1997. Gerhard Jacobsen in seinem Büro bei DPD.

Foto: F. Hartung

Jacobsen landete auf Topposten in Kolding

Nach zehn Jahren bei „Leman“ hatte Gerhard Jacobsen dann das Gefühl, sich beruflich verändern zu müssen. Der Sport hatte seinen Ehrgeiz angestachelt. Er übertrug das Engagement auf neue berufliche Herausforderungen. 1994 leitete er seine Karriere bei der Speditionsfirma „Transit Transport Flensburg“ ein. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte die Betreuung von Kunden, die in der nordischen Region angesiedelt waren und in das Konzept des Unternehmens passten. Nach zwei Jahren avancierte Jacobsen zum Verkaufs- und Marketingchef. Diesen Topposten übte er in Kolding bei „DPD“, dem sich damals im Aufbau befindlichen Tochterunternehmen der Flensburger Firma, aus. Das Unternehmen wurde, so Jacobsen, Anfang der 2000er-Jahre von der schwedischen Post aufgekauft. 2006 entschied sich Gerhard Jacobsen neue berufliche Wege einzuschlagen. Laut ihm hätten er und sein Arbeitgeber unterschiedliche Auffassungen darüber gehabt, wie der Umgang mit Kunden zu handhaben ist.

Nur der Preis hat gezählt

Aufgrund einer Klausel im Arbeitsvertrag konnte Jacobsen erst nach einem Jahr in die Speditionsbranche zurückkehren. Er wurde mit offenen Armen bei seiner „alten“ Firma „Transit Transport Flensburg“ aufgenommen. Jacobsen arbeitete als Key Account Manager in der Logistikabteilung. Ein anspruchsvoller Posten, der viele Dienstreisen mit sich führte, erinnert sich Gerhard Jacobsen. Die Finanzkrise, die sich ab 2008 abzeichnete, habe bei den Kunden gravierende Veränderungen gezeigt. „Die Art und Weise, wie ich verkauft habe, zählte nicht mehr. Das war nur noch cool Business. Nur der Preis hat gezählt. Da habe ich mich nicht mehr wohl gefühlt“, erinnert sich Gerhard Jacobsen.

Er war sterbenskrank und lag im Krankenhaus. Er hat mir kurz und knapp gesagt, dass er mich an seiner Seite haben wollte auf dem Weg zurück ins Leben. Er sagte mir auch, dass er bemerkt habe, dass ich da ein gewisses Talent und Durchsetzungsvermögen habe.

Gerhard Jacobsen kündigte für seinen Nachbarn seinen Job.

Todkranker Nachbar leistete Entscheidungs­hilfe

In seinem Suchen nach einer neuen Lebensaufgabe leistete ihm sein damaliger Nachbar Entscheidungshilfe. Der Nachbar habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass er seiner Hilfe bedürfe. „Er war sterbenskrank und lag im Krankenhaus. Er hat mir kurz und knapp gesagt, dass er mich an seiner Seite haben wollte auf dem Weg zurück ins Leben“, so Jacobsen. Zunächst habe er das außergewöhnliche Angebot abgelehnt mit der Begründung, dass er Spediteur sei und kein Lebenshelfer. Der Nachbar blieb beharrlich und argumentierte damit, dass Jacobsen sich seiner Ansicht nach gut für die Aufgabe eignen würde. Er habe ihn bei seiner Tätigkeit als Trainer für Kinder und Jugendliche beim Handball- und Fußballsport beobachtet und ihm gesagt, dass er ein Gespür für Menschen habe. „Er sagte mir auch, dass er bemerkt habe, dass ich da ein gewisses Talent und Durchsetzungsvermögen habe“, erinnert sich Gerhard Jacobsen.

Jacobsen ließ sich von dem Arbeitgeber in Flensburg beurlauben und widmete sich stattdessen der Aufgabe als persönlicher Betreuer. Gesund geworden sei der Nachbar nicht, aber es sei gelungen, ihm noch einige schöne Jahre zu bereiten, bevor für ihn das Leben zu Ende ging.

Jacobsen gönnt sich so oft wie möglich einen Ausflug im Kajak auf der Flensburger Förde. Dort auf dem Wasser fühlt er sich mit der Natur vereint. Radtouren und Spaziergänge gehören auch zu seinen Beschäftigungen.

Foto: Karin Riggelsen

Schubs in neue Richtung

Die Zeit mit den neuen Aufgaben hatte Jacobsen Gelegenheit gegeben, über seine Lebenssituation, die auch eine Trennung von seiner damaligen Ehefrau und den Tod seines Vaters beinhaltete, nachzudenken. Sie gab ihm einen Schubs in eine neue berufliche Richtung. Gerhard Jacobsen kündigte seine Arbeit in Flensburg, wo er eigenen Angaben zufolge sein Leben auf der Überholspur führte, und bewarb sich erfolgreich als Erziehungshelfer beim „Rønshoved Skolehjem“, dem heutigen Familienzentrum. Er hatte festgestellt, dass er sich beruflich in einem Bereich einbringen wollte, der seinen persönlichen Interessen besser entspricht. Er wechselte seinen Berufsalltag nach einer streckenweise belastenden Zeit, wo Stress und Burn-out sich vorsichtig am Horizont abzeichneten mit einer verantwortungsvollen Beschäftigung mit Kindern und Jugendlichen in herausfordernden Lebenssituationen. Er habe großen Respekt vor der pädagogischen Arbeit tüchtiger Kollegen und versuche bei seiner Tätigkeit, sich selbst als Mensch einzubringen.

Drei Maßanzüge bleiben im Kleiderschrank

„Plötzlich hatte ich meine schicken Maßanzüge gegen einen Alltag in dem Heim eingetauscht. Man kann sich nicht vorstellen, wie das war“, blickt Jacobsen zurück und fügt hinzu, dass der Wechsel auch mit großen finanziellen Veränderungen verbunden war. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die aus den verschiedensten Gründen außerhalb der eigenen Familie betreut werden, gibt ihm sinnvollen Inhalt in seiner „neuen“ Berufswelt. Die drei Maßanzüge, die er sich vor etlichen Jahren in Verbindung mit einer Dienstreise nach Asien hatte schneidern lassen, hängen jetzt ungenutzt im Kleiderschrank.

Entscheidung steht nicht zur Debatte

Die Entscheidung habe er nicht bereut und er werde auch niemals in die Speditionsbranche zurückkehren, versichert Gerhard Jacobsen. Sein geschäftliches Geschick könne er jetzt nebenberuflich in seinem Ehrenamt als Vorsitzender der Freunde des Fährbetriebs geltend machen. Wechselnde Arbeitszeiten lassen ihm außerdem Freiraum, um in einem kleinen Rahmen und in Zusammenarbeit mit einem Makler aus Deutschland, Wohnobjekte in Nordschleswig an interessierte Käufer zu vermitteln. Die Arbeit für den Fährbetrieb verlange ihm das ganze Jahr über viel Zeit ab, wenn er und seine Vorstandskollegen mit Förderanfragen an Stiftungen, Unternehmen und Organisationen herantreten. Ihm ist wichtig, trotz des Ehrenamtes auch Zeit für sich zu haben. Seine Leidenschaft für den Handballsport übt er weiterhin als Schiedsrichter aus.

„Cykelfærgens Venner“, die Freunde der Fahrradfähren, soll den Betrieb und die Weiterentwicklung des vorliegenden Konzepts mit den Fähren sichern. Der Verein will außerdem in Zusammenarbeit mit der Hochschule Flensburg einen Plan für ein Zukunftsprojekt erstellen: klimafreundliche Fähren auf der Flensburger Förde.

Foto: Felix A. Schultz

Das Interview mit Gerhard Jacobsen wurde im März 2023 geführt.

Gerhard Jacobsen: Lebensstationen

Geboren am 5. Juni 1964, aufgewachsen in Baistrup. Sein Vater Peter ist vor Jahren verstorben. Mutter Petra Jacobsen lebt in ihrem Eigenheim in Tingleff. Der Familienhof, den ursprünglich Petra Jacobsens Familie bewirtschaftete, ist nicht mehr im Besitz der Familie. Aus der Ehe mit seiner geschiedenen Frau hat Gerhard Jacobsen zwei Kinder. Sein Sohn (Jahrgang 1990) wohnt in Gravenstein. Seine Tochter (Jahrgang 1993) lebt in Brisbane in Australien. Gerhard Jacobsen erwartete 2023 die Geburt von zwei Enkelkindern. Sowohl seine Tochter als auch sein Sohn hatten ihm die freudige Botschaft überbracht, dass sich Nachwuchs ankündigte.

Gerhard Jacobsen ist aktiv im Sonderburger Verein des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN). Er vertritt den BDN im Sportzentrum in Tingleff. Jacobsen gehört außerdem der Tischtennissparte des Tingleffer Sportvereins SV Tingleff an. Leibgericht: Gefüllte Mini-Tarteletten

Text
Karin Friedrichsen

Fotos
Karin Riggelsen
Felix A. Schultz
Claus Fisker
F. Hartung

Idee & Entwicklung
Harro Hallmann
Sally Flindt-Hansen

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