„Ich suche Wege, um die Nordschleswigsche Gemeinde zugänglicher und ansprechender zu machen für junge Menschen“
Dorthe Andresen ist ein engagiertes Mitglied der deutschen Minderheit. Die 18-Jährige studiert zur Landwirtschaft und macht eine vierjährige duale Ausbildung. Sie arbeitet zielbewusst daran, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und den Hof Frisenholm in dritter Generation zu führen. Bevor sie sich als Bäuerin niederlässt, will die junge Frau noch etwas von der Welt sehen. Auch über die Zukunft der Nordschleswigschen Gemeinde hat sie sich Gedanken gemacht. Die Gemeinde, der sie sich zugehörig fühlt, liegt ihr am Herzen und sie hofft, dass es der Kirche gelingt, sich zu reformieren und attraktiver zu werden für junge Menschen.
Nolde Mutter Angela Andresen öffnet die Haustür, als wir uns im Frühjahr 2023 mit ihrer Tochter Dorthe Andresen zum Interview verabredet haben. Dorthe kommt die Treppe herunter vom Obergeschoss in den geräumigen Eingangsbereich. Die junge Frau mit dem sympathischen Lächeln absolviert seit August 2022 ihr einjähriges Fachpraktikum auf einem Hof bei Norderhostrup (Nørre Hostrup). Die 18-Jährige bildet sich zur Landwirtin aus.
Dorthe Andresen versichert, dass man Lust haben muss, auf ein Leben in der Landwirtschaft, denn die Ernte einzubringen und die Vorräte zu schützen, sei oftmals mit langen Arbeitstagen verbunden: „Ich habe Lust auf die Landwirtschaft. Für mich ist die Erntezeit die beste Zeit. Dann haben wir vielleicht eine Woche, in der alles passieren muss, bevor es wieder regnet.“
Foto: Karin Riggelsen
Studentin der Landwirtschaft in Gravenstein
Während des Praktikums ist sie erneut auf dem elterlichen Hof in Nolde eingezogen. Wenn es nach den Sommerferien wieder an die Landwirtschaftsschule in Gravenstein (Gråsten Landbrugsskole) geht, wohnt sie im Internat der Schule. Dorthe Andresen macht den vierjährigen Studiengang EUX. Das ist, wie sie erklärt, eine landwirtschaftliche Fachausbildung, die mit einem Abitur abgeschlossen wird. Andresen rechnet damit, ihre Abschlussprüfung im Sommer 2025 zu schreiben. Danach, so ihr Plan, will sie die 20-wöchige Ausbildung zur Produktionsleiterin dranhängen. Im Rahmen dieses Bildungsweges werde sie ihre Kompetenzen in den Bereichen Personalführung und Finanzen stärken können.
Frisenholm: Ökologischer Milchviehbetrieb mit Holsteinrindern
Dorthe Andresens Eltern Angela und Kurt Andresen haben das Haus im Friesenstil 2008 erbaut. Hier sind Dorthe und ihre beiden Schwestern Wencke und Birthe aufgewachsen. Der Hof Frisenholm mit schöner Feldrandlage und einem herrlichen Blick ins Grüne zum nahe gelegenen Grenzübergang Pepersmark (Pebersmark) bei Renz (Rens) hat einen Namen. „Die Nachbarn haben uns das Holzschild an der Einfahrt geschenkt“, sagt Dorthe Andresen und schaut auf den Hofplatz. In Anlehnung an den Baustil hatten Nachbarn und Freunde die Idee, den Hof Frisenholm zu benennen.
Dorthe Andresen interessierte sich schon als Kleinkind für die Landwirtschaft.
Foto: Privat
Verwirklichen sich Dorthes Zukunftspläne, wird sie auf Sicht die Bäuerin auf dem ökologischen Milchviehbetrieb. Mittlerweile umfasst der Hof 300 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Auf dem Betrieb werden zudem circa 200 Milchkühe der Rasse Dansk Holstein und sieben Holstein-Charolais gehalten.
Die Familie Andresen hat auch eine Kälberzucht. „Jeder Milchviehbetrieb hat normalerweise eine Kälber- und Jungtieraufzucht. Die Zucht ist ein natürlicher Teil der Landwirtschaft, da darin unsere zukünftigen Milchkühe liegen“, erklärt Dorthe Andresen. Die EU-Rechtsvorschriften sehen für den ökologischen Landbau vor, dass die Kühe mindestens 120 Tage im Jahr Weidegang haben, deswegen lassen dänische Milchviehhalter alljährlich im Frühjahr ihre Rinder auf die Weide. Dorthe freut sich auf dieses Ereignis. „Das ist der schönste Tag des Jahres. Ich freue mich darüber, wenn die Kühe vor Freude tanzen“, lacht Dorthe Andresen, die den „Kuhtanz“ 2023 auf ihrem Praktikumsbetrieb verbrachte.
Sie erlebte mit, wie rund 4.000 Besucher auf den Ökohof, der erneut zum Tag der offenen Tür eingeladen hatte, kamen, um das Ereignis aus nächster Nähe mitzuerleben. Für sie ist es erstrebenswert, wenn sich viele Menschen für die Landwirtschaft interessieren. „Es ist immer so schade, wenn man in den Medien hört, dass die Leute schlecht über die Landwirtschaft reden. Und dann sieht man so viele kleine Kinder und Eltern, die sich dafür interessieren und dankbar sind, wenn man ihnen etwas über die Tiere erzählt“, denkt Dorthe Andresen an den Besuchstag zurück.
Im September 2022 hat sich die junge Frau ein Auto gekauft, um zur Arbeit auf dem Praktikumsplatz fahren zu können. „Der Golf ist älter als ich. Bei einem alten Auto tut es nicht so weh, wenn da eine Beule reinkommt.“
Foto: Karin Riggelsen
Chefin in spe
„Ich beabsichtige, Frisenholm zu übernehmen. Ich möchte hier Chefin sein“, umreißt die angehende gelernte Landwirtin ihre Zukunftspläne. Aufgrund des Strukturwandels zeichnet sich eine Tendenz mit immer größeren Milchbetrieben in Dänemark ab. Gegenwärtig habe sich die Anzahl der Milchviehbetriebe landesweit auf etwa 2.000 reduziert, sagt die Jungbäuerin.
Es ist immer so schade, wenn man in den Medien hört, dass die Leute schlecht über die Landwirtschaft reden. Und dann sieht man so viele kleine Kinder und Eltern, die sich dafür interessieren und dankbar sind, wenn man ihnen etwas über die Tiere erzählt.
Sie gibt sich aber zuversichtlich hinsichtlich ihrer Karriere als selbstständige Landwirtin: „Wir müssen sehen, was die Zeit bringt.“ Ihr Vater übernahm seinerseits den Hof von seinem Vater Christian Andresen. Das ursprüngliche Wohnhaus wurde abgerissen, als Kurt und Angela Andresen sich für den Bau eines neuen Wohntrakts entschieden. Dorthes jüngere Schwestern Wencke (Jahrgang 2005) und Birthe (Jahrgang 2008) haben kein Interesse daran bekundet, beruflich im ländlichen Raum tätig zu werden. „Ich habe mich immer für die Landwirtschaft interessiert. Damit bin ich aufgewachsen, genauso wie ich mit der Minderheit aufgewachsen bin“, schildert die naturverbundene Dorthe ihren Werdegang.
Die junge Frau fährt gerne zu Trecker-Trecks, wo sie den Fahrern zuschaut, wie sie ihre Traktoren über die Wettkampfpiste manövrieren, um den Sieg zu erringen.
Foto: Karin Riggelsen
Sprachenvielfalt auf Hof Frisenholm
Am Hof Frisenholm ist Sprachenvielfalt angesagt, wo Dorthe und ihre Familie zwischen Deutsch, Dänisch und dem Dialekt „Synnejysk“ wechseln. Die beiden Mitarbeitenden des Hofes, eine Russin, die ehemals in der Schweiz arbeitete, und ein Deutschbrasilianer, sprechen beide Deutsch. Deswegen ist die Betriebssprache in erster Linie Deutsch. Bei Anlieferung von Futtermitteln kommt es aber oft vor, dass die Andresens auf Englisch umschwenken, da viele Fahrer aus dem Ausland kommen. „Meine Muttersprache ist Deutsch, mit meinem Vater rede ich ,Synnejysk´“, sagt Dorthe und schmunzelt.
Deutsche Minderheit seit Kindheit an
Dorthe Andresen ist in die deutsche Minderheit hineingeboren worden und sie hat die Einrichtungen der Minderheit besucht. Ihre Mutter stammt aus Ostfriesland, ihr Vater hat seit seiner Wahl im Jahre 2001 für die Schleswigsche Partei (SP, politische Vertretung des Bundes Deutscher Nordschleswiger, BDN, red. Anm.) im kommunalen Stadtrat gesessen. Erst noch in Tingleff (Tinglev), später dann, nach einer vierjährigen Pause und der Kommunalreform auch in Apenrade (Aabenraa). Kurt Andresen entschied sich 2020 dazu, bei der Stadtratswahl im November 2021 nicht erneut zu kandidieren.
Die kleine Dorthe im Kindergartenalter.
Foto: Privat
Nordschleswigsche Gemeinde ein wichtiger Teil ihrer Kindheit und Jugend
Die 18-Jährige hat kein Problem damit, vor Publikum zu sprechen. Das zeigte sich jüngst, als die Nordschleswigsche Gemeinde ihr 100-jähriges Bestehen feierte. Der Festtag wurde mit einem Gottesdienst in der Kirche zu Tingleff eingeleitet. Dorthe Andresen war eine von drei Vortragenden, die ihre Sichtweise auf die Kirche der deutschen Minderheit in Nordschleswig formulierten. Als jüngste Vertreterin des Trios freute sich Andresen nicht nur über Aufenthalte im Römlager und stimmungsvolle Erntedankfeste. Sie sprach auch ein für sie hochaktuelles Thema an. Dorthe Andresen empfindet die Kirche als überaltert, „mit schwierigen Texten und altertümlicher Musik, wo man nicht mitsingen kann“. Die Zuhörenden reagierten positiv auf ihren Vortrag und sie habe anschließend aufmunterndes Schulterklopfen bekommen, erinnert sich Andresen.
Foto: Karin Riggelsen
Ich empfinde die Kirche als überaltert, mit schwierigen Texten und altertümlicher Musik, wo man nicht mitsingen kann.
Kinderfreizeiten im Römlager der Nordschleswigschen Gemeinde
Dorthe Andresen und ihre Familie sind seit Generationen ein Teil der deutschen Minderheit in Nordschleswig und der Nordschleswigschen Gemeinde. Dorthe ist von Pastor Emeritus Günther Barten getauft worden, als dieser in jüngeren Jahren im Pfarrbezirk Buhrkall (Burkal) amtierte. Im März 2018 segnete Pastor Carsten Pfeiffer sie in der Buhrkaller Kirche, die in Saxburg (Saksborg) liegt, ein.
Zu dem Zeitpunkt hatte sie längst Gefallen gefunden an den Kinderfreizeiten der Nordschleswigschen Gemeinde. Sie hatte das Ferienlager auf einer Klassenfahrt mit der deutschen Schule in Buhrkall kennengelernt. In der dritten Klasse nahm sie das erste Mal teil an dem Ferienaufenthalt auf der Nordseeinsel Röm (Rømø). „In der Schule haben wir Flyer bekommen, wo die Nordschleswigsche Gemeinde über das Lager informierte. „Ich habe dreimal an einem Ferienlager teilgenommen. Und als Teamerin (ehrenamtliche Helferin, red. Anm.) war ich dreimal nach meiner Konfirmation im Einsatz. Das war immer sehr schön“, unterstreicht Dorthe Andresen.
2018 wurde Dorthe Andresen in der Kirche zu Buhrkall konfirmiert.
Foto: Privat
Freundschaften, die Fortbestand haben
Highlight war immer, wenn die Kinder und ihre Betreuer am Tag nach der Anreise mit der Fähre nach Sylt fuhren. „Das ist immer ein fester Programmpunkt. Auf der Fähre war es richtig gemütlich, und für viele war es das erste Mal, dass sie mit der Fähre nach Sylt unterwegs waren“, erinnert sich die 18-Jährige.
Sie denkt auch an Besuche auf der Minigolfanlage, abwechslungsreiche Spiele im Wald und stimmungsvolle Abendandachten in der kleinen Waldkapelle auf der Insel zurück. „In dem Lager habe ich viele kennengelernt aus ganz Nordschleswig. Viele auch, mit denen ich heute noch rede. Das sind so Freundschaften, die entstanden sind“, unterstreicht Dorthe Andresen, die in der dritten, vierten und fünften Klasse eine Woche der Schulferien auf der Nordseeinsel verbrachte. Zu den festen Programmpunkten zählen für die Kinder und Jugendlichen unter anderem auch Wanderungen zur Kirche St. Clemens und sie erkunden die Feld- und Waldwege um Havneby, wo die Ferienkolonie ihren Standort hat
Nordschleswigsche Gemeinde wendet sich an die Großen
Nach ihrer Einsegnung gehörte sie der Gruppe der etwa zwei Handvoll Jugendlichen an, die sich für die sogenannte Teamerausbildung anmeldete. Die Teamerausbildung ist 2018 von der NG aus der Taufe gehoben worden. Mit dem Angebot wendet sich die Kirche an die Großen, die zu alt geworden sind, um ein Teil der Kinderfreizeiten zu sein.
Auf dem Römlager entstehen viele Freundschaften, sowohl für die teilnehmenden Kinder als auch für die Betreuungspersonen.
Foto: Kramer / Nordschleswigsche Gemeinde
Teamerausbildung bereitete den Weg ins Ehrenamt
„Wenn man konfirmiert ist, dann kann man diese Teamerausbildung machen.“ Für die junge Nolderin ging damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung, hatte sie doch bereits als Kind davon geträumt, „eine der Großen“ zu sein. Die Ausbildung leitete das Tingleffer Pastorenehepaar Cramer. Astrid und Ole Cramer stehen seit Jahren an der Spitze des sommerlichen Ferienlagers.
Bei der Ausbildung für das Ehrenamt wurde in sechs verschiedenen Modulen gelernt, was es beinhaltet ein Teamer zu sein. Die Gruppenpädagogik ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Ehrenamtlichen Mitverantwortung übernehmen können für jüngere Teilnehmende. Damit den Kindern die Religion nahegebracht werden kann, umfasst die Schulung auch religionspädagogische Aspekte. Nach den ersten sechs Modulen im Frühjahr 2018 wurde im siebten und letzten Modul Praxiserfahrung erworben.
Urkunde im Maisfeld bei Uk
„Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, obwohl es schon etwas komisch war, dass ich eine der Großen bin“, erinnert sich Dorthe Andresen. Zusammen mit Gleichaltrigen, die aus ganz Nordschleswig kamen und die sie größtenteils kannte, aus der Minderheit und auch von gemeinsamen Ferienlagern, machte sie dann die Praxisübung beim Römlager 2018.
Meine ganze Kindheit bin ich in den Sommerferien im Römlager. Ich traümte davon selbst mal eine der Großen zu werden. Wenn man konfirmiert ist, dann kann man diese Teamerausbildung machen. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Ihre Urkunden bekamen die Ehrenamtlichen erst einige Monate später, als die Nordschleswigsche Gemeinde einen Gottesdienst im Maisfeld bei Uk (Uge) organisierte. „Man wollte was Festliches daraus machen, das war sehr schön draußen im Maisfeld“, sagt Dorthe und schmunzelt. Mit ihrem neuen Status kam auch Verantwortung auf sie zu. „Ich finde es lustig, Spiele und andere Aktivitäten zu planen“, meint Dorthe, die hinzufügt, dass die Gruppe der Ehrenamtlichen immer verschieden zusammengesetzt war in den vergangenen Jahren. Das Pastorenehepaar Cramer habe den Ehrenamtlichen bei ihrer Aktivitätsplanung fast freie Zügel gelassen: „Es musste dann nur von Astrid und Ole Cramer abgenickt werden“, ergänzt Dorthe. Die Ehrenamtlichen haben die Verantwortung für ungefähr 10 Mädchen oder 10 Jungen, die in den vier Häusern einquartiert sind.
Autoschlüssel verschwand am Strand
Dorthe Andresen erinnert sich an ein besonderes Erlebnis. Bei einem Ausflug an den Strand von Lakolk hatten die angehenden Teamer und Teamerinnen einen Autoschlüssel verloren. Trotz intensiver Suche im Sand war es zunächst nicht gelungen, den Schlüssel zu finden. Zu allem Glück zeigte sich nachfolgend, dass der Schlüssel bei einer Hotdogbude abgegeben worden war. So mussten die Nordschleswiger nicht zu Fuß zum Lager zurückkehren.
„Wir erleben viel mit den Kindern.“ Am Ende des Lagers bekomme ich manchmal solche Kleinigkeiten. Von einem Kind bekam ich einen angemalten Stein als Geschenk“, so Dorthe Andresen. Natürlich sei es ab und an auch vorgekommen, dass Teilnehmerinnen oder Teilnehmer ihre Eltern vermissen. Dann versuchen die Ehrenamtler, dem Kind Mut zu machen, damit dieses einen schönen und spannenden Aufenthalt erlebt trotz Heimwehs. Für Dorthe Andresen sind die Abendandachten in der Kapelle etwas ganz Besonderes. „Plötzlich steht ein Reh hinter dir und guckt.“
Neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Nordschleswigschen Gemeinde, hat Dorthe Andresen auch ein anderes Hobby: Reiten.
Foto: Anne Aster
Highlight Himmelfahrt
Dorthe Andresen fiebert den Christi-Himmelfahrts-Ferien entgegen. An Himmelfahrt ist das Römlager nämlich den Teamerinnen und Teamern vorbehalten.
Die Nordschleswigsche Gemeinde arrangiert 2023 erstmals ein viertägiges Minilager für junge Ehrenamtliche und jugendliche Mitglieder der Gemeinde. „Ich kann leider nur an zwei der insgesamt vier Tage dauernden Lager dabei sein. Denn ich muss arbeiten, die Kühe müssen auch an den Feiertagen gepasst werden“, sagt Junglandwirtin Dorthe.
Sie freut sich darauf, „alle Leute“ wiederzusehen.
Proppenvolle Kirche und wichtige Botschaft
Bei dem Festgottesdienst im März 2023 sei die Tingleffer Kirche proppenvoll gewesen, erzählt Dorthe. Auf den Bankreihen saßen „viele wichtige Menschen, die was zu sagen haben“. Dorthe Andresen erinnert sich daran, dass sie vorab etwas aufgeregt gewesen war. Sie fasst die Botschaft ihrer Rede wie folgt zusammen: „Dass ich mir wünsche, dass die Kirche für uns junge Leute aktiver und attraktiver wird.“ Wenn sie in der Kirche ist, zu Weihnachten oder zu Ostern, erlebt sie, dass man alte Lieder singt mit schwer verständlichen Textzeilen. Dorthe Andresen erhofft sich in unsere Zeit passende Lieder, von denen sich junge Kirchgänger angesprochen fühlen.
Es gibt Gruppen, die Kirchenlieder modernisieren, hat Dorthe Andresen recherchiert und verweist auf ein Konzert mit dem ehemaligen „Knivsberger DEKTonium“ im Haus Nordschleswig in Apenrade am Vorabend der NG-Festveranstaltung in Tingleff. Die Gruppe habe, so Dorthe Andresen, in den 90er-Jahren Lieder komponiert, die moderner seien als die „die wir aus den Gottesdiensten kennen“.
Man könnte die Kirchenlieder modernisieren. Den Ablauf eines Gottesdienstes zu modernisieren, halte ich nicht für realistisch, denn die Feier ist festgelegt, und die Predigt gehört dazu.
Nordseeinsel ist auch schön im Winter
Die Modernisierung des Liedguts steht als Vorschlag auf der „Wunschliste“, die Dorthe der NG ans Herz legte. Des Weiteren regt sie an, das Ferienlager im Winterhalbjahr für Freizeiten zu nutzen. Röm sei auch im Winter schön. Die Natur sei rau, aber wenn man während eines Wintersturms vor dem Kamin sitzt, könne das sehr gemütlich sein.
„Ich könnte mir gut vorstellen, mich weiterhin einzubinden als Ehrenamtliche, wenn wir mehr zusammenkommen könnten. Das sind eigentlich die Dinge, wo ich mir am meisten Gedanken gemacht habe“, sagt Dorthe Andresen. Den Ablauf eines Gottesdienstes zu modernisieren, hält Andresen nicht für realistisch, denn die Feier sei festgelegt, und die Predigt gehöre dazu.
Die Familie Andresen.
Foto: Karin Riggelsen
Irgendwo was Größeres
Die Frage danach, ob sie ein gläubiger Mensch ist, beantwortet Dorthe Andresen folgendermaßen: „Unsere Generation ist nicht so gläubig wie ältere Generationen. Ich glaube schon, dass da irgendwo etwas Größeres ist. Ich bin nicht jeden Sonntag in der Kirche. Aber zu Weihnachten und zu Erntedank auf jeden Fall. Erntedank ist ein wichtiger Gottesdienst für mich als Landwirtin. Das gehört einfach dazu, wenn wir fertig sind mit der Ernte und der Winter naht.“ Sie unterstreicht, dass ihre Anregung, sich jugendlichen Themen gegenüber zu öffnen, nicht eine Aufforderung zur „totalen großen Umwälzung“ ist.
Mehr Flexibilität im Konfirmationsunterricht
An die Konfirmationsvorbereitungen erinnert sich Dorthe Andresen gerne zurück. Aber sie möchte, dass mehr Flexibilität und Eigenverantwortung in die Vorbereitungen kommen, denn die Konfirmation wählt der junge Mensch selbst. Aber es wird vorgegeben, wie oft man im Vorfeld der Einsegnung an Gottesdiensten teilnimmt. Als Beispiel dafür nennt sie das Büchlein, in dem die kommenden Konfirmandinnen und Konfirmanden ihre Gottesdienstbesuche dokumentieren müssen.
Zehn Gottesdienste sind, so die junge Nolderin, angesagt im Vorfeld des Konfirmationstages. „Meine Cousine hat damals geheiratet. Da waren wir in Deutschland in der Kirche. Ich habe den Pastor gebeten, einen Stempel und seine Unterschrift in mein Büchlein zu machen. So bin ich auf 11 Gottesdienste gekommen, statt der vorgegebenen 10.“
Ausflüge sollten nicht nur Konfirmanden vorbehalten sein
In ihre Überlegungen einbeziehen könnte die Kirche auch die Möglichkeit, jungen Mitgliedern der Gemeinde, die sich in der Ausbildung oder im Studium befinden, Aktivitäten außerhalb der Kirche und des Gemeindehauses anzubieten. „Es gibt viel, was man machen könnte, wo man uns mit ansprechen könnte. Und es muss nicht ein Gottesdienst sein, es könnte auch ein Ausflug organisiert werden. Denn mit Gottesdiensten verbinde ich die Generation der Großeltern. Ich fühle mich von Freizeiten, wo auch gerne eine Andacht Bestandteil sein kann, angesprochen“, unterstreicht Dorthe Andresen.
„Ich hoffe, dass sie sich etwas einfallen lassen“
Die Nolderin erwartet, dass es die Mitglieder des Kirchenvorstandes sind, die erste Schritte unternehmen, um eine Erneuerung in die Wege zu leiten. „Ich hoffe, dass sie es sich zu Herzen genommen haben und sie sich etwas einfallen lassen“, sagt Andresen in Bezug auf ihren Redebeitrag bei der Festveranstaltung. Einige Mitglieder hätten auch bereits positive Resonanz signalisiert. Die Freizeit in den Himmelfahrtferien sei gewiss der ideale Ort, um das Thema mit Gleichaltrigen zu erörtern.
Dorthe Andresen hat sich daran gewöhnt, dass die Landwirtschaft vom Wetter abhängig ist. „Wir können unseren Arbeitstag nicht bestimmen. Auf die Meteorologen ist auch nicht viel Verlass. Ich glaube, ein Wetterfrosch ist genauso gut. Die alten Bauernregeln passen besser.“
Foto: Karin Riggelsen
Generation, die die Lösung für viele Fragen finden muss
Ungelöste Fragen gibt es ihrer Ansicht nach nicht nur in Bezug auf die Gemeinde. „Wir sind die Generation, die die Lösung für viele Fragen finden muss“ überlegt Dorthe Andresen und spricht den Ukrainekrieg und die Klimakrise an. Darauf, was in der Ukraine passiert, hätten sie und ihre Gleichaltrigen zwar nicht viel Einfluss. Aber man müsse die Lösung finden für die Folgen. „Bei uns passiert viel“, wagt sie einen Blick in die Zukunft.
Das Interview mit Dorthe Andresen wurde im Mai 2023 geführt.
Dorthe Andresen: Lebensstationen
An ihre schulische Laufbahn – Deutsche Schule Buhrkall sowie Deutsche Schule Tingleff – schloss sich in der zehnten Klasse ein Nachschulaufenthalt in der Vestbirk Musik & Sportsefterskole an. In die Nachschule konnte sie ihr Pferd Amoi mitbringen. Vor der Einschulung besuchte sie den Minderheitenkindergarten in Bülderup (Bylderup).
Ihre Ausbildung an der Landwirtschaftsschule in Gravenstein begann Dorthe Andresen im Sommer 2021. Die Ausbildung erstreckt sich einschließlich einer Zusatzausbildung voraussichtlich bis zum Januar 2026. Dorthe Andresen, die Single ist, ist von ihrer Geburt am 24. Juni 2004 an ein Teil der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Bei ihrer Taufe wurde sie in die Nordschleswigsche Gemeinde aufgenommen. Der Gemeinde ist sie ehrenamtlich verbunden, sie fordert aber dazu auf, dass die christliche Gemeinschaft die Aktivitäten für junge Menschen stärkt.
Dorthe Andresen hat ihren beruflichen Werdegang festgelegt. Die angehende Landwirtin wird, bevor sie sich auf Sicht auf dem elterlichen Hof in Nolde niederlässt, die Welt sehen und entdecken. Im Herbst 2024 peilt sie zunächst ein Auslandssemester in Kanada, den Vereinigten Staaten oder Australien an.
Andresen ist eine begeisterte Reiterin und Mitglied des Reit- und Fahrvereins Wilhelminenhof Ladelund e. V. In Deutschland hat sie viele Turniere mit ihrer Stute Amoi geritten. Die Rasse Westfale ist ein Warmblutpferd. Die Fuchsstute hielt 2018 Einzug auf dem Hof in Nolde.
Zu ihren Hobbys zählt die junge Frau auch das Zusammensein mit Freunden und sie fährt gerne zu Trecker-Trecks, wo sie den Fahrern zuschaut, wie sie ihre Traktoren über die Wettkampfpiste manövrieren, um den Sieg zu erringen.
Text
Karin Friedrichsen
Anne Aster
Karin Riggelsen
Kramer / Nordschleswigsche Gemeinde
Private Fotos
Harro Hallmann
Sally Flindt-Hansen