Christian Bülow Fuglsang

„Die Tür zur Mälzerei steht mir immer offen“

Der Student des Ingenieurwesens ist in die Minderheit hineingeboren worden. Nach 18 Jahren im Schulsystem steht er im Sommer 2024 an einem Scheideweg. Obwohl es in seinem Familienunternehmen Jobmöglichkeiten geben könnte, will der 22-jährige Minderheitendeutsche „lieber Fehler in der Fremde machen“, bevor er in die Domstadt zurückkehrt. Das Studentenwohnheim in Hellerup ist für ihn ein kleiner nordschleswigscher Satellit.

Hadersleben/Haderslev Christian Bülow Fuglsang ist über die Ostertage nach Hause gekommen. Der gebürtige Haderslebener absolvierte 2019 sein Abitur am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) in Apenrade (Aabenraa) und begann im Anschluss daran ein Vollzeitstudium an Dänemarks Technischer Universität (Danmarks Tekniske Universitet, DTU) in Kongens Lyngby bei Kopenhagen (København). Er wohnt im Minderheitenkollegium in Hellerup. Als wir ihn im Frühjahr 2023 daheim bei seinem Vater Claes Fuglsang in seinem Elternhaus an der Ripener Landstraße besuchen, sitzt er am Esstisch mit dem Laptop vor sich.

„Ich habe immer Aufgaben, die gemacht werden müssen. Es gibt ständig was zu tun. Aber das macht auch meistens Spaß“, versichert Christian Bülow Fuglsang und blickt aus dem Panoramafenster auf die stattliche Rotbuche in dem großzügig angelegten Garten, der an den Außendamm angrenzt.

Christian Fuglsang aus Hadersleben studiert an Dänemarks Technischer Universität (Danmarks Tekniske Universitet, DTU) in Kongens Lyngby bei Kopenhagen (København). Er wohnt im Minderheitenkollegium in Hellerup.

Foto: Karin Riggelsen

Abgabe der Masterarbeit im Juni 2024

Der 22-Jährige studiert Ingenieurwesen. Im Rahmen des mehrstufigen Bachelor-Master-Studiums schloss Christian Bülow Fuglsang im Sommer 2022 sein Bachelorstudium ab. Seine Masterarbeit im Ingenieurwesen werde er voraussichtlich im Juni 2024 abgeben, wagt der junge Mann einen positiven Blick in die Zukunft. „Mein Gebiet ist unter anderem die Anwendung und Optimierung von Energiesystemen“, umreißt er einen Teil seines Studiengangs, dem sich direkt nach dem Bachelor in Mechanik (Produktion und Konstruktion) das Masterstudium in Industrieökonomie und Technologiemanagement anschließt.

Vater über die Schulter geschaut – Katalysator für naturwissenschaftliches Denken

Sein Interesse für die Naturwissenschaft kommt nicht von ungefähr, schließlich ist er von Kindheit an auf dem Firmensitz seiner Familie ein und aus gegangen. Die Brauerei Fuglsang hat im Mai 2021 neue Eigentümer bekommen. Etwa 156 Jahre hatte die geschichtsträchtige Brauerei ihren Sitz in der Domstadt gehabt, als der Vorstand von Fuglsang Holding an „Royal Unibrew A/S“ verkaufte. Drei Direktoren an der Spitze des Familienunternehmens, die Brüder Claes und Kim Fuglsang und ihr Vetter Henning Fuglsang, widmen sich seitdem den beiden Mälzereien, die im Familienbesitz geblieben sind und ihre Standorte in Hadersleben und Thisted haben. Es ist die Produktion des Bieres, die neuen Besitzer Ende 2022 schlussendlich von der Domstadt nach Odense verlegt haben. Fuglsang Holding hat alle Produktionsgebäude behalten.

Christian Fuglsangs Interesse für die Naturwissenschaft kommt nicht von ungefähr, schließlich ist er von Kindheit an auf dem Firmensitz seiner Familie ein und aus gegangen.

Foto: Karin Riggelsen

Nie ein familiäres Hauptziel

Er sei erst einen Tag vor der Veröffentlichung der Betriebsübernahme über die bevorstehenden Besitzverhältnisse informiert worden. „Mein Vater ist nach wie vor Technischer Direktor der Mälzerei. Ich bin von Anfang an mehr an die Mälzerei gekoppelt gewesen“, sagt Christian, der es immer spannend fand, seinem Vater bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Er habe sein erstes Interesse für die Naturwissenschaft auf der anderen Straßenseite seines Elternhauses vertiefen und verstehen können. Das sei für ihn der natürliche Zugang gewesen und der Katalysator zu seinem Denken und der Wahl eines Studiengangs im Ingenieurwesen. Er habe nie das Gefühl gehabt, dass die Familie versucht habe, einen Druck aufzubauen und ihn bei der Wahl des Berufes zu prägen: „Die Familie hat nie ein familiäres Hauptziel gehabt. Uns Kindern ist immer erklärt worden, dass wir machen sollten, wozu wir Lust hatten.“

Brauereiverkauf erklärbar und logisch

Der junge Minderheitendeutsche habe die Nachricht über den Verkauf der Brauerei erst mal mental verdauen müssen. „Ich konnte den Beschluss verstehen, aber ich finde es ärgerlich. Jetzt bin ich nicht mehr davon betroffen“, unterstreicht Christian Bülow Fuglsang. Er fügt hinzu, dass er nicht sauer gewesen war aufgrund des Entschlusses. Für ihn sei das von Anfang an erklärbar und logisch gewesen. Er kannte die Herausforderungen der Brauerei, die mit der grünen Umstellung der Energiekrise und „allem möglichen anderen“ herausgefordert war. Es war eigentlich mehr die persönliche Verbundenheit zur Brauerei, die dem jungen Mann für kürzere Zeit das Leben etwas schwer machte. Inzwischen hat er die Entscheidung akzeptiert und er räumt ein, dass es auch nicht leicht gewesen wäre, bei der Entscheidungsfindung mitgenommen zu werden. „Vielleicht ist es auch ganz gut, denn es gibt einen gewissen Fokus, der auf die Mälzerei gerichtet wird“, so Bülow Fuglsang.

Der kleine Christian 2006 in der Mälzerei in Thisted. Die Familie Fuglsang besitzt zwei Mälzereien, die ihre Standorte in Hadersleben und Thisted haben.

Foto: Claes Fuglsang

Kurze Wege und Schlupflöcher in der Hecke

Das großflächige Brauerei- und Mälzereigelände übte schon immer magische Anziehungskraft auf Christian aus. Von seinem Elternhaus aus ist es nur ein Katzensprung auf das Gelände, das er seit Kindheit an allein und zusammen mit seinem Vater erforscht hat. „Ich kenne viele kurze Wege, die auf das Gelände führen“, lacht Fuglsang, als er auf dem Weg zum Fototermin auf der Aussichtsplattform des Silos der Mälzerei ein Schlupfloch in der Hecke benutzt, die einen Teil des Brauereigeländes umgrenzt.

„Das ist meine Stadt!“

Die Mälzerei benutzt den rund 42 Meter hohen Behälter zur Lagerung von Rohstoffverbrauchsmaterial. Auf der Plattform unter dem Dach hat man einen wunderbaren Blick auf die Innenstadt und den Damm. Von dort aus ist auch die kleine Tanneninsel zu sehen, die sich im Besitz der Familien-Holding befindet. Im Silo hat Christian Bülow Fuglsang viele Jahre lang Kindergeburtstage mit der Deutschen Schule Hadersleben gefeiert und auch so manches Mal zu Silvester oben im Silo mit Mitschülerinnen und Mitschülern des DGN (Deutsches Gymnasium Nordschleswig) auf das neue Jahr angestoßen. 

„Im Garten meines Opas Iver liegt ein kleines Boot, mit dem man innerhalb von zehn Minuten zur Tanneninsel fahren kann“, erzählt Christian Bülow Fuglsang. Auf der Insel, die sich auf Höhe des ehemaligen Krankenhauses befindet, hat die Familie ein Haus gebaut. Die Insel liegt abgeschieden auf dem Außendamm. Es war einer von Christians Vorfahren, der die Insel für seinen Sohn erwarb. „Hans Fuglsang war Kunstmaler, sein Vater wollte ihm gute Arbeitsbedingungen für sein künstlerisches Wirken verschaffen und hat ihm die Insel gekauft“, erklärt Christian Bülow Fuglsang. Der junge Künstler fiel im Ersten Weltkrieg. Die Insel befindet sich noch immer im Besitz der bekannten Haderslebener Familie, der auch die Möweninsel, die an der südwestlichen Spitze des Damms liegt, gehört.

„Das ist meine Stadt“, sagt der 22-Jährige, als sein Blick von der Plattform des Silos über die Innenstadt, das Firmengelände und den Außendamm schweift.

Nach dem Verkauf der Brauerei hat Christian Bülow Fuglsang nicht nur das Fuglsang-Bier als seine Hausmarke. In den Gebäuden der ehemaligen Brauerei an der Ripener Landstraße hat das Familienunternehmen vor einigen Jahren eine Mikrobrauerei für die Mitarbeitenden eingerichtet. Hier versucht sich der junge Fuglsang ab und an in der schweren Kunst des Brauens.

Foto: Karin Riggelsen

Muttersprache Dänisch, Vatersprache Deutsch – „total in die Minderheit hineingeboren“

Obwohl seine Mutter Karen Bülow Voetmann im nordjütischen Farsø aufgewachsen ist und Christian mit ihr Dänisch spricht, fühlt er sich als Kind der Minderheit: „Ich bin total in die Minderheit hineingeboren. Ich kenne es nicht anders.“ Mit meinem Opa Iver habe ich immer Deutsch geredet. Und das habe ich auch mit meiner inzwischen verstorbenen Großmutter Elke getan. Meine „Vatersprache“ ist Deutsch, sagt Christian Bülow Fuglsang und schmunzelt.

Der nordschleswigsche Dialekt „Synnejysk“ habe sich quasi erst in sein Sprachenrepertoire eingefunden, als er eingeschult wurde und auch später am DGN in Apenrade. In seiner Familie gibt es keine falsche Sprache im gegebenen Augenblick, denn es gibt keine feste Sprache für jede Person.

Christian Bülow Fuglsang wertet es als Vorteil, dass seine Mutter nicht der Minderheit entstammt, dadurch habe er seine Sichtweise erweitern können und einen besseren Einblick in die kulturellen Unterschiede zwischen Deutsch und Dänisch erlangt. „Das ist nur lehrreich, dass man versucht, so viel wie möglich aus verschiedenen Perspektiven zu sehen“, sagt Fuglsang.

Christian vor dem Elternhaus 2009.

Foto: Claes Fuglsang

Unsere Eltern sind geschieden. Scheidungskinder im herkömmlichen Sinn sind ich und meine Schwester Anna nie gewesen. Meine Mutter ist nach der Scheidung im ersten Stock unseres Elternhauses wohnen geblieben, sodass wir immer von einem Elternteil zum anderen gehen konnten. Als Familie haben wir auch gemeinsam etwas unternommen. 

Christian Fuglsang

Logische Denkweise pflegen

Nach dem Besuch des Deutschen Kindergartens Hadersleben (DKH) kam Christian in die Deutsche Schule Hadersleben (DSH). In der DSH machte sich nach und nach eine gewisse Lese-Rechtschreib-Störung bemerkbar. Seine Stärken liegen im naturwissenschaftlichen Bereich: „Das passte auch damit überein, dass ich mich immer für das Interessierte, was in der Mälzerei passierte“, resümiert Christian Bülow Fuglsang. Da die naturwissenschaftlichen Fächer zu dem Zeitpunkt in einem begrenzten Umfang an der DSH angeboten wurden, beschlossen Christian und seine Eltern, dass er nach der 8. Klasse an eine dänische Nachschule wechselte.

Um seine naturwissenschaftlichen Fähigkeiten zu fördern, absolvierte Christian die 9. Klasse an der Science Nachschule in Norburg (Nordborg, Science Efterskolen Nordborg Slot). Dort habe er viele Mitschülerinnen und Mitschüler getroffen, die die logische Denkweise pflegten, wie er sagt.

Engagement für die Minderheit

Dem Nachschuljahr schlossen sich drei Jahre am Gymnasium in Apenrade an. Während er in der 1G und 2G täglich zwischen Hadersleben und Apenrade pendelte, zog er im letzten Schuljahr vor dem Abitur ins Internat des DGN. Christian hatte sich gut zurechtgefunden in der Gemeinschaft und wurde zu Beginn des Schuljahres 2018/2019 zum Schulsprecher gewählt. Das war aber nicht das einzige Ehrenamt, das der junge Haderslebener übernommen hatte. Christian Bülow Fuglsang gehörte auch dem Kreis der Schülerbotschafter an. Dabei handelt es sich um ein grenzüberschreitendes Projekt, das zur Verbesserung der Kenntnisse über die Minderheiten diesseits und jenseits der deutsch-dänischen Grenze beiträgt. Als Schülerbotschafter hielten Fuglsang und seine Mitschüler und Mitschülerinnen oft Vorträge und erzählten über ihr Leben in der Minderheit. Des Weiteren engagierte er sich bei den Jungen Spitzen, der kulturell und politisch veranlagten Jugendorganisation der Schleswigschen Partei (SP).

Treffpunkt der Minderheit außerhalb von Nordschleswig

Dem Leben in der deutschen Volksgruppe schloss sich 2019 ein Umzug in die dänische Hauptstadt an. Fuglsang bekam auf Anhieb einen Studienplatz im Ingenieurwesen am DTU. Er hatte sich nur auf diesen einen Studienplatz beworben. Er hatte keinen Zweit- oder Drittwunsch. Ganz auf die Geborgenheit in der Minderheit hat er nicht verzichten müssen. Denn er konnte in das Collegium 1961 in Hellerup einziehen. Die Verbindung Schleswigscher Studenten und der Bund Deutscher Nordschleswiger stellen Studierenden aus Nordschleswig preisgünstige Wohnheime des Vereins „Collegium 1961“ in Aarhus, Hellerup und Odense zur Verfügung. Die Häuser sind neben dem Wohnort für die Studierenden auch Anlaufstelle und Versammlungsstätte für andere junge Nordschleswigerinnen und Nordschleswiger, die sich treffen möchten.

Vor 60 Jahren zogen die ersten Studierenden in die Villa am Sofievej 18C im Kopenhagener Stadtteil Hellerup ein. 1969 kam das Kollegium in Aarhus dazu und 1995 das in Odense.

Foto: Bund Deutscher Nordschleswiger

Neun nette Menschen

„Ich wohne mit neun netten Menschen zusammen“, sagt Christian Bülow Fuglsang. Er ist einer derjenigen, die am längsten in dem Wohnheim leben. „Im Sommer werden es vier Jahre. Ich habe immer dasselbe Zimmer im ersten Stock gehabt“, sagt er. Dadurch, dass er im von der deutschen Minderheit betriebene Studentenwohnheim ein Zimmer mieten kann, hat er das Gefühl, dass er auch in Kopenhagen ein Stück Nordschleswig erlebt.

Für Fuglsang hat sich das Collegium als Satellit der Minderheit erwiesen. Hier konnte er starke Freundschaften außerhalb der Heimat aufbauen. Hier kann er mit seinen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern Deutsch, Dänisch oder „Synnejysk“ reden und Zusammenhalt erfahren. Die Villa, die 2015 renoviert wurde, hat neben den zehn Zimmern unter anderem auch eine große Wohnküche, und der Keller ist nicht nur mit Waschmaschine und Trockner ausgestattet, sondern enthält auch einen Partyraum.

Schon als Kind kochte Christian gerne aufwändige Gerichte. Heute ist, neben dem Studium, weiterhin Kochen eine Leidenschaft  von Christian Bülow Fuglsang. Sein Lieblingsgericht ist Wildfleisch. Er schreckt nicht davor zurück, bei festlichen Zusammenkünften im Collegium 1961 das komplette Menü zuzubereiten.

Foto: Claes Fuglsang

Collegium: Ein Nordschleswig-Zuhause fernab der Heimat

Mit viel Platz in der Villa und dem Garten ist das Collegium 1961 häufig der natürliche Treffpunkt der Bewohner und Bewohnerinnen und deren Bekannte. Man trifft sich zum Frühstück und Abendessen. Christian Bülow Fuglsang hat eine Kochgruppe zusammen mit zwei Mitbewohnern. Der Putzdienst verläuft abwechselnd, und andere Verantwortungsbereiche werden auch von allen Mietern und Mieterinnen übernommen.

Jeden Sonntag ist Großputz für zwei Mitbewohner oder Mitbewohnerinnen angesagt. Alle zwei Sonntage gibt es ein „Haustreffen“, wo man sagen kann, wenn es nicht ganz sauber war. Man kontrolliert sich gegenseitig und zeigt, was nicht so gut ist“, erklärt Christian Bülow Fuglsang. Man kenne sich und man wisse, dass man eine gewisse Offenheit haben müsse, damit „es läuft“. Deswegen versuche man neuen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern die Integration leicht zu machen. Kurzum, man kümmere sich umeinander und stärke das Wir-Gefühl durch gemeinsame Aktivitäten.

Schülerbotschafter

Im Gymnasium nahm Christian Fuglsang am Projekt „Schülerbotschafter“ teil. Das Projekt „Schülerbotschafter“ ist ein grenzüberschreitendes Projekt zur Verbesserung der Kenntnisse über die Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland und deren Alltag. Am Projekt nehmen Schülerinnen und Schüler der beiden dänischen Gymnasien in Südschleswig zusammen mit Schülerinnen und Schülern des deutschen Gymnasiums in Nordschleswig teil. Koordiniert wird das Projekt von Grænseforeningen, der dieses Projekt 2005 begründet hat.

2019 machte Christian Fuglsang sein Abitur.

Foto: Claes Fuglsang

„Schülerbotschafter zu sein war sehr interessant. Dadurch, dass man seinen Hintergrund und seine Identität anderen vermitteln soll, reflektiert man automatisch selber darüber. Warum bin ich Minderheit und was bedeutet das? Und wie verstehen das andere Jugendliche aus der Mehrheitsbevölkerung? Für mich war es interessant, andere Schulen zu besuchen und zu sehen, wie der „durchschnittliche Däne” im Gymnasium unterwegs ist. Wir kamen ja viel herum. Ich hätte gar nicht gedacht, dass es im kleinen Dänemark doch so viel kulturelle Diversität gibt.

Christian Fuglsang über seine Teilnahme am Projekt „Schülerbotschafter".

Interesse für Elektro-Rennauto spannt Bogen von Kollegium bis hin zur Universität

Der 22-Jährige gehört auch dem Team von Tobias Klindt an. Der ehemalige Vorsitzende der Jungen Spitzen baut zusammen mit Gleichgesinnten einen Rennwagen mit Elektromotor. Fuglsang kennt Klindt nicht nur aus Nordschleswig und der gemeinsamen Zeit am Gymnasium. Tobias Klindt folgte seinem Freund 2020 nach Kopenhagen, wo er genau wie Christian Bülow Fuglsang im Kollegium wohnt und an der Technischen Universität studiert. Laut Fuglsang ist Tobias Klindt Projekthauptverantwortlicher. Es geht darum, einen Elektro-Rennwagen zu bauen und mit diesem an einem großen internationalen Rennen in England teilzunehmen. Die Beteiligung an dem Rennen ist für die Studentinnen und Studenten eine großartige Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen und sich mit anderen talentierten Studenten zu messen. „Das ist die Formel 1 zwischen Studenten und Unis. Die Teilnehmenden bauen jedes Jahr einen neuen, innovativen Rennwagen“, so Christian Bülow Fuglsang. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die Verwaltung der Finanzen und er hilft bei praktischen Projekten, wenn Not am Mann ist.

Das DTU-Team auf der Silverstone Rennstrecke bei der Teilnahme am „Formula Student UK“ 2023. Christian Fuglsang ist Dritter von rechts.

Foto: Thomas Lupson-Darnell

Kombination aus Studium und Ehrenamt baute sich langsam auf

Christian Bülow Fuglsang investiert viel Zeit in sein Studium. Das Ingenieurwesen interessiert ihn und er versucht immer, seine Aufgaben mit Sorgfalt und Genauigkeit zu erledigen. Er legt Zielstrebigkeit an den Tag. Im Frühjahr 2023 fing er an, Ausschau zu halten nach einem Jobangebot, das sich mit seinem Masterstudium in Einklang bringen lassen könnte. Bis dahin hatte ihm sein freiwilliges Engagement im Vorstand von „Polyteknisk Forening (PF) viel Arbeit abverlangt neben dem Studium.

Vom Februar 2022 bis zum Februar 2023 hatte er auf diesem Posten unter anderem die Verantwortung für die Koordination von Freizeitangeboten und Partnerschaften. Inzwischen steht er an der Spitze des Koordinationsausschusses, der den PF-Vorstand berät. Außerdem berät Fuglsang als Tutor jüngerer Studentinnen und Studenten. Hilfslehrer ist er auch gewesen.

Der 22-Jährige unterstreicht, dass ihm diese Kombination aus Studium und Ehrenamt aus vielerlei Gründen wichtig ist. Vom Ehrenamt könne er zwar nicht leben, das Engagement habe ihm aber auch viel gegeben: „Es muss nicht immer nur Freiwilligkeit sein, weil es Spaß macht. Man lernt auch viel.“ Bei ihm habe sich das Engagement still und ruhig aufgebaut, seitdem er sich am DGN als Schülerbotschafter und Schulsprecher sowie im Vorstand der Jungen Spitzen zur Verfügung stellte.

Der junge Mann aus der Minderheit fühlt sich in seinem Umfeld an der Uni integriert. Er erlebt, dass seine Kommilitonen Interesse an seiner Herkunft in der deutschen Minderheit zeigen.

Foto: Karin Riggelsen

Zweisprachigkeit bringt nur Vorteile

Die Zweisprachigkeit habe ihm ein Leben lang nur Vorteile gebracht, versichert Christian Bülow Fuglsang. Auch an der Hochschule habe er daraus Nutzen ziehen können, denn mit Deutsch und Dänisch als Grundsprachen ist es ihm leichtgefallen, Englisch zu lernen. Während im Bachelorstudiengang sowohl Dänisch als auch Englisch gesprochen wird, wird im Masterstudiengang ausschließlich auf Englisch gelehrt. Die Begegnung mit der Mehrheit in seinem Universitätsumfeld erlebt er als positiv. Er fühlt sich integriert und seine Kommilitonen haben sich auch mit Interesse nach seiner Herkunft in der deutschen Minderheit erkundigt. „Die Leute in Kopenhagen und an der Uni haben ein ganz anderes Verständnis dafür. Das merkt man generell heutzutage in der Jugend“, stellt Fuglsang fest. Er vermutet, dass das größere Verständnis für seine Mitmenschen mit einer gewissen Reife zusammenhängen könnte. Als Kind und Jugendlicher hatte er nicht nur positive Reaktionen, wenn er sich in Kreisen außerhalb der Minderheit bewegte.

Verständnis für mehrere Perspektiven vorgelebt

Wenn Christian Bülow Fuglsang seinen Masterabschluss in der Tasche hat, steht sein Leben an einem Scheideweg. Nach 18 Jahren im Schulsystem wird er einen neuen einschneidenden Lebensabschnitt beginnen. Ob er vor dem Einstieg ins Berufsleben eine kurze Auszeit einlegt, hat er noch nicht entschieden. Er hat das Gefühl, dass er recht gut weiß, wie die Welt aussieht.

„Meine Eltern haben immer versucht, mir zu zeigen, was es alles gibt an Möglichkeiten. Sie haben mich immer mitgenommen, wenn sie im wirtschaftlichen Zusammenhang verreisten. Ich war an vielen Stellen“, sagt Fuglsang, der hinzufügt, dass die Reiseaktivität mit den Eltern auch einer der Gründe dafür ist, dass er noch keinen Drang dazu hatte, eine berufliche Auszeit einzulegen. Seine Eltern hätten ihm auch allzeit vorgelebt, dass man Verständnis haben sollte für andere Perspektiven. Sie hätten stets probiert, ihm zu zeigen, dass man einen anderen Blickwinkel setzen kann. Dass es immer verschiedene Möglichkeiten gibt. Diese Weltoffenheit verbindet der junge Mann auch mit der deutschen Minderheit, wo man dieses Verstehen dafür, mehrere Perspektiven zu empfinden, und deswegen mal einen anderen Blickwinkel setzt, wiederfindet.

Die Runden „um den Schornstein“ müssen vorerst warten

Mit Blick auf die Minderheit weiß der Ingenieur in spe aber nicht, ob er postwendend zu ihr zurückkehrt. „Vielleicht kommt die Minderheit für mich auf Pause. Keine Ahnung, was da passiert. Das kann nur die Zukunft zeigen. Aber ich weiß, dass ich immer nach Hause kommen kann zu meiner Familie und zu der Minderheit. Das gibt Ruhe auf lange Sicht und vielleicht finde ich es ganz bequem, wenn ich dann wieder meine Runden drehen kann ‚um den Schornstein′, wie wir das Gelände, das unseren Familienbesitz umgrenzt, nennen“, lacht Christian Bülow Fuglsang.

Eine Tür steht immer offen

Ingenieure haben oft eine breite Palette von Karrieremöglichkeiten zur Verfügung und können in vielen Branchen und Bereichen tätig sein. Der junge Fuglsang hat sich noch nicht festgelegt, wo er arbeiten möchte. „Es ist mir nicht so eilig. Ich möchte gerne was machen, was ich interessant und lustig finde. Es soll mir Spaß machen. Das ist mir am wichtigsten. Und das hat es bislang auch getan. Sonst würde ich wohl nicht dort drüben in Kopenhagen hocken und so viel Zeit investieren“, sagt Christian und schmunzelt.

Er lässt durchblicken, dass es ihn schon reizen würde, in einem großen Konzern zu arbeiten. Und er sich vorstellen könnte, in der Energieumstellung, wo Dänemark Vorreiter ist, wie er sagt, tätig zu werden. Er beschäftigt sich beispielsweise mit Energiesystemen und Optimierung von existierenden Produktionsanlagen. Das kann, so Fuglsang, innerhalb der Lebensmittelproduktion wie beispielsweise Molkereien, Brauereien oder Mälzereien sein. „Energiesysteme brauchst du überall, wo Lebensmittel produziert werden“, stellt Christian Bülow Fuglsang fest und fügt hinzu: „Ich will nicht sagen, dass ich nicht zurückkomme. Ich lasse alle Türen offen, aber ich weiß, eine Tür ist immer offen. Das ist die Tür der Mälzerei.“ Diese Möglichkeit möchte er aber erst auf Sicht nutzen, denn er hat sich erzählen lassen, dass man Fehler gerne in der Fremde machen sollte, bevor man in die Heimat zurückkehrt.

Christian Fuglsang schließt nicht aus, dass er irgendwann nach Nordschleswig und zum Familienunternehmen zurückkehren könnte.

Foto: Karin Riggelsen

Das Interview mit Christian Fuglsang wurde im April 2023 geführt.

Christian Bülow Fuglsang: Lebensstationen

Christian Bülow Fuglsang wurde am 29. Dezember 2000 in Hadersleben geboren. Seine Eltern Karen Bülow Voetmann und Claes Fuglsang haben auch die Tochter Anna Bülow Fuglsang. Anna studiert Politikwissenschaft in Hongkong. An seine schulische Laufbahn – Deutsche Schulen Hadersleben, Nachschule in Norburg sowie Deutsches Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade schloss sich der Studiengang am DTU in Kongens Lyngby an. Er ist Single, lebt aber mit neun Freundinnen und Freunden aus der deutschen Minderheit unter dem Dach des Studentenwohnheims Collegium 1961 in Hellerup.

Als Kind erhielt er vorübergehend Violinenunterricht. Sein musikalisches Interesse ging mehr in Richtung Singen und er wurde in den Knabenchor der Domkantorei (Haderslev Drengekor) aufgenommen. Nach dem Wechsel an die Nachschule auf Alsen schied Christian Bülow aus dem Chor aus. Sein Faible für den Rudersport verlegte er nach dem Umzug von Hadersleben nach Apenrade in den Apenrader Ruderverein (ARV).

Das Interesse für Rudern und Kochen hat er von seiner Mutter geerbt. Seine musikalische Ader entstammt der Familie väterlicherseits.

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Karin Friedrichsen
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Harro Hallmann
Sally Flindt-Hansen
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